Liebe Freunde, habt ihr schon einmal mitten in einem Volksfest uebernachtet? Klar, kein Problem, es gibt ja Ohrenstoepsel, und um 2 Uhr nachts ist der Laerm vorbei...
Nun ja, wenn das Volksfest aber bis 4 Uhr morgens dauert und um 5.30 Uhr morgens schon wieder anfaengt, mit derselben Lautstaerke wie es aufgehoert hat? Hm, na ja, doppelte Ladung Ohrenstoepsel? Gegen das Stampfen von 20 Moersern richtet auch eine vierfache Ladung nichts aus. Und gegen 7.30 Uhr morgens kommen ueber einhundert Frauen aus dem Dorf und fangen an, das soeben gestampfte Essen zu vertilgen. Da denkt jeder, jetzt kehrt Ruhe ein. Weit gefehlt! Jede zweite Frau plappert mit verzigfachter Lautstaerke, um alle anderen in zehn Meter Entfernung zu uebertoenen. Das hoert sich an wie ein Riesenvogelschwarm, der am Abend Rueheplaetze fuer die Nacht sucht.
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Und ich wohne direkt daneben (3 Meter) in einem luftigen Haus. Tag und Nacht, schon den sechsten Tag mitten im Volksfest. Wenn Bingo dran ist, geht das ja noch, weil nur 5 bis 6 Veranstalter mehr oder weniger laut ihre Gewinnzahlen heraus schreien, und dann bruellen ja nur diejenigen vor Freude, die diese Zahl haben. Es ist also mehr als die Haelfte der Anwesenden relativ ruhig. Dann kommen noch vor zwoelf Uhr die Moenche, die mit ihren Litaneien per Verstaerkerboxen das gesamte Dorf im Umkreis von 2 Kilometern erfreuen.
Danach wird gespeist, an ca. 50 Tischen, die sich bis auf meine anscheinend bei den Honoratioren besonders beliebte Terrasse ausdehnen, die hier im zwanzigminuetigen Wechsel speisen. Sie muessen ihre Anwesenheit natuerlich besonders lautstark kundtun, damit auch jeder mitbekommt, dass sie hier waren und ihrer Trauerpflicht Genuege getan haben.
Ach ja, Trauer! Am Montag Morgen kam der Patriarch der Familie meines Vermieters nicht von der naechtlichen Arbeit in der Kautschuk-Plantage zurueck. Er verstarb friedlich unter seinen Gummibaeumen, weit ueber 80 Jahre alt. Die Nachricht um 8 Uhr morgens fuehrte bei einer Tochter tatsaechlich zu einem 5-minuetigen Trauergebruell -- ich lasse mich korrigieren: 2 Minuten und 10 Sekunden. Dann ging sofort die Vorbereitung fuers siebentaegige Volksfest los, und um 11 Uhr waren bereits Zelte und Tische und Stuehle fuer ueber 200 Leute aufgebaut und schon um 12 Uhr trafen die ersten Trauergaeste ein, um dem bereits eingesargten und gegenueber von meiner Terrasse aufgebahrten Verstorbenen lautstark die letzte Ehre zu erweisen. Schliesslich muessen ihre Stimmen die massiven Holzwaende des Sargs durchdringen, damit der Hochverehrte sie in seinem engen Gehaeuse auch hoert.
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Der Nachmittag wird dann mit diversen Gluecksspielen verbracht, fuer jung und alt. Denn normalerweise ist im Gluecksspiel-suechtigen Thailand nur die 14-taegige staatliche Lotterie erlaubt, was eine lukrative Schwarzarbeit ermoeglicht: Die taegliche Dorflotterie, die ihre zweistellige Glueckszahl aus den zwei Nachkommastellen des Tagesschlusskurses der Aktienboerse SET in Bangkok generiert, jeden Tag unbestechlich und puenktlich um 16 Uhr.
Tja, und an speziellen Tagen wie eben den sieben Trauertagen fuer eine besonders hochverehrte Persoenlichkeit ist das Gluecksspiel im Trauergehoeft erlaubt. Und da lassen die Thais die Sau raus! Da wird mit ohrenbetaeubendem Gebruell an jedem Tisch bis gegen 4 Uhr morgens gezockt, nur unterbrochen durch das noch lautere Abendessen von an die 500 Personen in ca. drei Schichten. Das Essen dafuer wird direkt hier im Gehoeft zubereitet, den ganzen Nachmittag ueber. Da wird gehackt, gestampft, gebrutzelt, wobei die Koeche und vielen Hilfskoeche natuerlich besonders laut reden muessen, um das Kochgeraeusch und den Motorenlaerm der anliefernden Mopeds zu uebertoenen.
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Am Abend erreicht das Fest dann seinen akustischen Hoehepunkt. Denn nicht nur die Speisenden lassen sich lautstark vernehmen, auch die Moenche halten ihre Ansprachen per Mikrofon, um den Laerm zu uebertoenen. Jetzt, um 20.43 Uhr fangen sie wieder an zu singen, was sich ja wirklich angenehm anhoert und den Restlaerm relativ leise erscheinen laesst. Wenn die Moenche den Toten mit ihrem Gesang gebuehrend verabschiedet haben, wird wieder Fernseher Nummer 1 angeschaltet, der permanent suedthailaendisches Tanztheater Manohra zeigt, natuerlich mit ausreichender Lautstaerke. Obwohl niemand zuzuschauen und zuzuhoeren scheint, sondern jeder seine eigene Stimmstaerke in die Runde wirft, wird doch ploetzlich von der versammelten Gemeinschaft an einzelnen Stellen schlagartig waendewackelnd gelacht. Das durchzuckt die staerksten Ohrenstoepsel !
Oh, jetzt um 20.53 Uhr herrscht gespenstische Stille! Die Moenche haben eine Pause in ihren Gesang eingelegt und werden mit einem Wai -- mit vor dem Gesicht aneinandergelegten Handflaechen -- gegruesst. Schoen, das waren tolle 30 Sekunden, in denen nur der Hintergrundlaerm der weiter entfernt Speisenden zu hoeren war.
Nachher wird dann Fernseher 2 zusaetzlich eingeschaltet. Unter der Woche war ein Fussballspiel dran, angeblich Deutschland, dann Boxen, dann die Hochzeitsfeierlichkeiten von W. und K. aus England. Mal hoeren, was nachher kommt, natuerlich, ihr ahnt es schon, in einer Lautstaerke, die das ganze Dorf daran beteiligt. Obwohl jedes Haus seinen eigenen Fernseher hat.
Ganz offensichtlich nimmt der Laermpegel von Tag zu Tag zu. Heute soll die Bevoelkerung der Kreishauptstadt Takua Pa eingeladen sein. Ich ahnte es schon, das waren jetzt schon ueber tausend Esser heute Abend. Vielleicht kommen morgen noch mehr aus der Provinzhauptstadt Phang Nga. Das muss dann der Hoehepunkt sein, denn am Montag soll der Leichnam in buddhistischer Tradition verbrannt werden.
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Wie habe ich das ueberlebt? Nun ja, ich bin eben erst um 4 Uhr ins Bett gegangen und habe 3 bis 4 Stunden in Ruhe geschlafen. Dann war ich ein paar Stunden zur Recherche unterwegs, ansonsten musste die einfache Ladung Ohrenstoepsel genuegen, denn mehr vertragen meine Ohren nicht. Heute denke ich dran, schon gegen Mitternacht nach Sita Garden auszuweichen und in einem Bungalow am Meer zu naechtigen. Falls ich das Auto aus der parkenden Meute herausmanoevrieren kann.
Warum ich nicht die ganze Woche weggeblieben bin? Ja, was haetten dann meine vier Angestellten gemacht, wenn der Boss getuermt waere? Und schliesslich soll am 1. Mai unsere neue Webseite als Beta-Version Online gehen. Da hilft es schon etwas, wenn wenigstens die Haelfte der anfallenden Arbeit erledigt wird. Und ich habe auch einige Male etwas von dem Leichenschmaus abbekommen. Echt koestliches hausgemachtes Thai-Essen, wie es in keinem Restaurant Thailands zu kaufen gibt. Eine Tochter, die etwa vierzigjaehrige Juea betreibt ja eines der besten Strandrestaurants von Khao Lak, aber die Koestlichkeiten hier sind noch zwei Klassen besser.
Habe ich dieses Volksfest etwa genossen? Mann oh Mann, da koennten mir bessere Begriffe einfallen, aber ich lasse es...
Mit ganz herzlichen Gruessen aus Khao Lak, Richard
P.S.: Jeder Gast hinterlaesst uebrigens einen Umschlag mit einer Spende je nach seinen Moeglichkeiten, was bei 2 Euro anfangen kann und durchaus 50 Euro erreichen kann. Die Familie kommt bestimmt auf ihre Kosten, wenn man die kostenlose Arbeit nicht rechnet.
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