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Leben im Dschungel-CampVON JOACHIM RÜTTGEN - zuletzt aktualisiert: 10.09.2011 - 02:30Ein einziger Schlag genügt. Liam hat das Messer genau an der richtigen Stelle in die Kokosnuss gerammt. Die weiße Milch spritzt heraus. Das kleine Lagerfeuer brennt schon. Der 54-Jährige wird im Khao Sok Nationalpark, dem weitläufigsten Regenwaldgebiet in Südthailand, der "Dschungel-Mann" genannt. Gekocht hat er schon immer, erzählt er und hockt dabei auf dem lehmigen Boden. Ob er denn auch schon mal im Urwald übernachtet hat? Liam lacht. "Natürlich!". Dass er dabei Spuren von Tigern, Affen, Elefanten und anderen wilden Tieren gesehen hat, erwähnt er fast beiläufig, während er das Kokos für eine thailändische Curry-Hühnchen-Suppe vorbereitet. Die Gruppe aus Deutschland sitzt auf Holzstämmen in einer nach allen Seiten offenen Hütte – mitten im thailändischen Dschungel. Liam zeigt, wie man sich in der rauen Wildnis mit einfachsten Mitteln ein schmackhaftes Mittagsmahl zubereiten kann. Heute gibt es neben der Suppe auch Barbecue vom Schwein, Gemüse und frisches Obst. Als Tischdecke dienen große Bananenblätter. Es riecht nach zuckersüßer Ananas. Ein laues Lüftchen weht – angenehm erfrischend nach einem 90-minütigen Marsch durch den Dschungel. Das war eine schweißtreibende Angelegenheit – bei 35 Grad und fast 100-prozentiger Luftfeuchtigkeit. Diese Tour durch den Dschungel ist Teil eines Aufenthalts im Elephant Hill Camp, einem luxuriösen Zeltcamp. Von Phuket aus führt die Fahrt gut zwei Stunden an der Küste entlang, vorbei an Khao Lak hoch in die Berge. Völlig abgelegen mitten im Regenwald liegt das Camp, umgeben von majestätischen Bergkuppen. Die Berge haben keine Namen. Brauchen sie auch nicht. Sie wirken in sich: wild, unbändig, urwüchsig. Frisch geraspelte Kokosnuss macht die Runde. Überhaupt, Gewürze sind ein Thema. Sie machen die thailändische Küche zu einem echten Erlebnis. Liam hantiert mit Ingwer, Lemongras und Kurkuma. Exotisch, scharf, fruchtig – eine richtige Geschmacksexplosion im Mund. Im Camp selbst herrscht Ranger-Atmosphäre. Überall viel Holz, rustikale Steinböden, ein malerisch gelegener Pool, eine Bar, ein Shop – alles vorhanden, mitten im Urwald. Unberührte Natur trifft Mensch aus der Großstadt. Die Geräusche sind gewöhnungsbedürftig. Nichts für empfindliche Gemüter, wenn Affen brüllen, Frösche ohrenbetäubend quaken und Grillen nicht gerade sanft zirpen. Riesige Frösche hüpfen über die Veranda, Geckos rasen pfeilschnell an der Mauer entlang, exotische Schmetterlinge flattern durchs Camp – zum Abendessen ein bizarres Naturerlebnis zwischen Curry, Reis und Melone und nicht Jedermanns Geschmack. Tommi Koppinen aus Finnland kümmert sich als Service-Manager um die Gäste. Der 33-Jährige, der vor vier Jahren als Rucksacktourist in den thailändischen Dschungel kam und jetzt nicht mehr weg will, liebt "das Mehr" an Möglichkeiten, wie er sagt. 200 Pflanzen und Bäume gehören dazu, zudem eine artenreiche Tierwelt mit Tigern, Bären, Schlangen, Wildkatzen und vor allem den 18 Camp-Elefanten, die die Touristen aus aller Welt seit acht Jahren anlocken. "Das ist alles so einzigartig", schwärmt Tommi. Mit den Elefanten auf Tuchfühlung gehen, das klappt fünf Kilometer vom Camp entfernt bestens. Auf den Tieren reiten, das steht nicht mehr auf dem Programm, "das wollten die Leute nicht mehr", sagt Tommi. Statt dessen gibt es "Elefanten-Experience": Essen vorbereiten, füttern, baden, schrubben. Das sind Erlebnisse, die der Urlauber nicht vergisst. Die Dickhäuter lieben das auch. Mit den Fasern aus der Kokosnuss werden sie bei der Massage verwöhnt. Mal sanft streichelnd, mal etwas fester, wird die Haut des Elefanten geputzt. Der verdreht die Augen, so genüsslich ist das Bad. Die Touristen haben Spaß an den Wasserspielen mit den Kolossen. Das Camp besteht aus 30 Zelten, fünf weitere sind geplant. "Wir wollen es so natürlich wie möglich belassen", sagt Tommi. Die Unterkünfte mit Dusche, WC, Kaffeekocher und Ventilator sind Sonderanfertigungen aus Südafrika, stabil und in grüner Tarnfarbe. Sechs Gucklöcher befinden sich am Dach, sechs an den Seiten, alle können zugeklappt werden. Die Einrichtung ist handgemacht, es werden nur Naturmaterialien eingesetzt. Der Eingang ist mit Reißverschlüssen gesichert. Ein Spray gegen Moskitos sollte im Reisegepäck nicht fehlen, das gibt's aber auch an der Rezeption. Damit die Gäste abends im Stockfinsteren den Weg ins Zelt finden, sind Taschenlampen griffbereit. Die erste Nacht im Zelt. Es klopft, es zischt, es lärmt. An Schlaf ist zunächst nicht zu denken. Affen, Grillen, Frösche und allerlei anderes Getier haben sich entschlossen, wach zu bleiben. Aber das hat etwas Urwüchsiges. Der Blick am Morgen aus dem Zelt entschädigt für alles: Farne, Bambus, Palmen in sattem Grün. Thailand ist so anders, schwärmt Tommi. Vor allem morgens um sieben, wenn sich die Sonne durch die nebelverhangene Bergwelt kämpft. Das wirkt erhaben und majestätisch. Die Besucher im Camp sind im Durchschnitt 30 bis 40 Jahre alt, aber auch 70-Jährige haben Interesse am Dschungel. Das Programm im Camp ist klar strukturiert. Die Touren beginnen pünktlich, abends folgen meist ein Film über das Camp oder die Elefanten, Tänze einheimischer Schulen, eine Kochvorführung, dann das Essen und Ausklang an der Bar. Und spätestens nach der zweiten Nacht hat sich auch der Gast aus Europa an die ungewöhnliche Dschungelmusik gewöhnt. Quelle: RP |